PREDIGT VON BISCHOF ÄGIDIUS ZSIFKOVICS
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und im diakonalen Dienst, liebe Freundinnen und Freunde der Gemeinschaft Cenacolo, vor allem liebe Gemeinschaft des Cenacolo hier vor Ort in Kleinfrauenhaid, Schwestern und Brüder im Herrn aus den verschiedenen Ländern, von Österreich über Deutschland, Italien, Polen, Slowakei, Kroatien, Ukraine und viele andere mehr.
Zum heutigen Jubiläum habe ich ein kleines, aber tiefsprechendes Geschenk der Diözese und des Bischofs an die Gemeinschaft mitgebracht. Es ist eine Kopie der Gnadenstatue von Mariazell. Ich denke, diese Kopie der Gnadenstatue kann heute wohl am besten und am kürzesten und am sichersten das Evangelium, das wir eben gehört haben, predigen. Besser als der Bischof.
Maria ist mit der Gemeinschaft Cenacolo zutiefst verbunden. Maria ist wohl die Erste mit den Aposteln, die die Nachfolge Jesu gehört, aber auch ihr gefolgt ist. Maria ließ ihr Leben von Gott durchkreuzen. Und Maria – und das zeigt das Gnadenbild von Mariazell – weist mit dem Finger auf Jesus hin, sie will also die Menschen zu Jesus hinführen. Und Maria führt seither die Menschen in die Schule Jesu, zu Jesus Christus hin. Einen Tag nach meiner Bischofsweihe hat mir Mutter Elvira im Steinbruch von St. Margarethen gesagt: „Segnen Sie die Menschen und führen Sie sie wie Maria zu Jesus.“ Liebe Schwestern und Brüder, was ist die Schule Jesu? Gerade das heutige Evangelium, das wir soeben gehört haben, sagt uns und zeigt uns ganz deutlich, worauf es ankommt, wenn wir in die Schule Jesu gehen.
Das erste, wenn wir in die Schule Jesu gehen, und das sagt uns Maria – ist, dass wir uns auf Jesus und sein Wort einlassen. Wenn wir uns auf Jesus und sein Wort einlassen, das ist keine Sicherheit, das ist mehr Wagnis und Risiko. Und auf Jesus und sein Wort einlassen, das hat nicht nur mit Emotion zu tun, sondern wohl auch mit Verstand. Das zeigt uns das eben gehörte Evangelium. Es sagt, dass wir bevor wir einen Turm bauen oder bevor wir in den Krieg ziehen, gut nachdenken müssen, ob wir die Mittel dafür haben. Also die Nachfolge Jesu ist etwas für Menschen mit Emotionen, die sich im Herzen berühren lassen, und für Menschen, die auch ihrem Verstand folgen. Papst Franziskus lädt uns alle immer wieder von neuem ein, sich auf Jesus und sein Wort einzulassen. Und damit wir ihm folgen können, braucht es das Gebet, die Stille, den Gottesdienst, die Feier der Sakramente, vor allem auch das Sakrament der Versöhnung, der Buße. Schwestern und Brüder, genau das sind die Dinge, die unsere heutige Zeit so nötig braucht. In dieser Zeit der Pandemie, in dieser Zeit, wo nicht weit von uns ein schrecklicher Krieg herrscht und in dieser Zeit der Klimaveränderung, da braucht es einen Tiefgang für uns Christen. Gerade in dieser Gemeinschaft hier wird deshalb so ein großer Wert auf das Gebet, auf den Gottesdienst, auf die Feier der Sakramente gestellt. Lassen wir uns erneut auf Jesus und sein Wort ein.
Dann komme ich zu einem zweiten Punkt in dieser Schule Jesu, der wichtig ist. Und den wir von Maria eigentlich am besten lernen können. Das ist, dass wir Leid erkennen, dass wir gegen Leid und Ungerechtigkeit, gegen Ausbeutung und Unwahrheit ankämpfen und dass wir, wenn es nötig ist, auch Leid in unserem Leben geduldig ertragen. Liebe Schwestern und Brüder, Jesu Tod am Kreuz geschah nicht aus Gleichgültigkeit. Der Tod Jesu war eine Konsequenz, dass er gegen Ungerechtigkeit, gegen Ausbeutung, gegen die Lüge konsequent vorgegangen ist. Und das ist ein Auftrag auch an uns Christen, dass auch wir überall dort, wo Gott uns hingestellt hat, gegen Leid, gegen Ungerechtigkeit und gegen Ausbeutung und Ausgrenzung auftreten. Dass wir aber gleichzeitig auch unser Leid und Kreuz, das uns auferlegt ist, dass wir dieses Kreuz und Leid auch geduldig und im Blick auf Maria und auf das Kreuz ertragen. Liebe Schwestern und Brüder, das hört sich vielleicht leichter an als es getan ist. Aber Maria zeigt es uns vor allem in ihrer geraden Haltung, in ihrem Stehen unter dem Kreuz. Die Apostel sind in diesem wichtigen Augenblick davongelaufen, ihnen sind die Knie weich geworden. Aber Maria steht standhaft unter dem Kreuz. Eine Einladung und ein Auftrag an uns.
Dann komme ich zum Dritten, was wir in der Schule Jesu, aus dem Evangelium heute lernen können. Und das ist, dass wir mit Freude und in Freiheit für Jesus heute Zeugnis ablegen. Wo Freiheit ist, dort hat der Mensch wirklich eine Zukunft. Und wo Freiheit herrscht, da ist vor allem auch nicht Angst, sondern Freude zuhause. Haben wir weithin als Christen heute nicht die Freude am Glauben und am Leben verloren? Verloren deshalb, weil wir vielleicht in verschiedenen Abhängigkeiten sind. Wer aber innerlich frei ist, der hat eigentlich auch eine innere Freude. Der kann den Abhängigkeiten entsagen. Für den ist der Mitmensch kein Konkurrent, sondern ein Mitbruder und eine Mitschwester. Für den ist es nicht wichtig mit dem Strom zu schwimmen, sondern der hat den Mut, auch gegen den Strom zu schwimmen. Der lebt nicht nach den Vorgaben unserer modernen Zeit, das immer mehr an Konsum, immer höher, immer schneller, immer besser, sondern der kommt mit dem Wenigen, der kommt mit dem zurecht, was ihm geschenkt ist und der kann einfach und nachhaltig sein Leben gestalten. Liebe Schwestern und Brüder, und gerade das ist heute mehr denn notwendig.
Und darauf weist uns auch die Gemeinschaft Cenacolo mehr als deutlich mit ihrem Leben und mit ihrem Zeugnis hin. Das Jubiläum, 25 Jahre Cenacolo hier in Kleinfrauenhaid, zeigt uns, dass wir alle eingeladen sind, in die Schule Jesu zu gehen. Und es zeigt uns, dass hier in Kleinfrauenhaid, in dieser Gemeinschaft, die Schule Jesu tatsächlich gelebt wird. Hier haben sich junge Menschen zusammengefunden, um sich auf Jesus und sein Wort erneut einzulassen. Hier sind junge Menschen, deren Leben aus verschiedenen Gründen durchkreuzt worden ist. Hier erleiden und ertragen junge Menschen das, was ihnen auferlegt worden ist. Und sie kämpfen dagegen an. Und ihre Aufgabe oder ihre Pädagogik oder ihre Therapie ist die alte monastische Pädagogik und Therapie „Ora et labora“ – „Bete und arbeite“. Und hier in dieser Gemeinschaft ist es so, dass junge Menschen in Freiheit wiederum die Freude am Leben und die Freude am Glauben erfahren. Und das zeigt sich darin, dass jeder frei ist. Es gibt keinen Schlüssel, jeder ist frei zu kommen und zu gehen und das zeigt diese Freiheit, diese innere Freiheit deutlich an.
Liebe Schwestern und Brüder, und damit möchte ich diese Predigt auch schließen: Ich darf heute im Namen der Diözese und in meinem Namen einen herzlichen Gruß und eine herzliche Gratulation an die Gemeinschaft Cenacolo aussprechen. Ich darf mit euch gemeinsam Gott danken für dieses große Werk, das er hier mitten unter uns heute gesetzt hat. Ich darf Mutter Elvira Danke sagen für diese Initiative, die die Welt erobert hat. Ich darf hier in Kleinfrauenhaid allen danken, die dazu beigetragen haben, dass dieses Werk, diese Gemeinschaft hier errichtet werden kann und auch leben kann. Ich möchte bewusst keinen Namen nennen, damit ich niemanden vergesse. Allen, die beigetragen haben und die heute beitragen, dass diese Gemeinschaft leben und blühen kann, ein großes Danke und Vergelt’s Gott. Und was ist mein Wunsch? Mein Wunsch an diese Gemeinschaft und auch mein Wunsch an Gott ist, dass wir vielleicht doch in Zukunft nicht nur eine Gemeinschaft für Burschen, sondern auch eine Gemeinschaft für Mädchen in unserer Diözese haben können. Ich bitte euch, dass ihr darum betet, mit mir gemeinsam. Und wir, das heißt die Diözese und die Gemeinschaft und die Verantwortlichen, wir wollen uns bemühen, dass das auch Wirklichkeit werden kann.
Liebe Schwestern und Brüder, gehen wir weiter in die Schule Jesu. Lassen wir uns von Maria an der Hand nehmen und zu Jesus hinführen. Lassen wir uns auf sein Wort ein. Tragen und ertragen wir das Leid und kämpfen wir gegen Ungerechtigkeit. Und in innerer Freiheit bitten wir, dass wir wieder die Freude am Leben und am Glauben zurückgewinnen. Maria hat uns diesen Weg vorgezeigt, sie ist ihn selber vorgegangen. Und sie lädt jetzt dich und mich ein, dass wir diesen Weg heute gehen. Möge diese Kopie der Mutter Gottes von Mariazell, die mit dem Original berührt worden ist, auf dem Weg zum goldenen Jubiläum eine Wegweiserin, eine Helferin und vor allem eine Fürsprecherin sein. Amen.
So darf ich diese Kopie der Gnadenstatue von Mariazell der Gemeinschaft Cenacolo heute als Geschenk, aber zugleich auch als Auftrag für die Zukunft übergeben und wünsche und erbitte für sie hier in eurer Gemeinschaft einen würdigen Platz.