VOM ALKOHOL IN DIE MISSION
Stefan, ein im Cenacolo von der Sucht Befreiter wird liebevoller Kinderbetreuer in Brasilien (Von Alexa Gaspari)
Stefan wartet schon vor der Tür, als ich ankomme, und ich bin gleich sehr angetan von dem feschen, jungen Mann: von seinem sympathischen, einnehmenden Gesichtsausdruck, seinen fröhlichen und guten Augen. Wir setzen uns zu einer Jause zusammen, und der junge Mann erzählt.
Er sei 1992 im Salzburger Land als zweites von drei Kindern geboren, sagt er. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er noch sehr klein war. Jedes Mal, wenn es drunter und drunter ging und ihm der Streit zu viel wurde, flüchtete er zu seiner lieben, gläubigen Tante. Sie sei es gewesen, die ihm in dieser Zeit Gott vermittelt hat, meint er heute. So war er überzeugt, Jesus werde ihm immer helfen. Sie fährt mit ihm und der Mutter auch nach Medjugorje, wo er das Cenacolo kennenlernt. „Die fröhlichen, offenen Gesichter und die berührenden Zeugnisse der Cenacolo-Bewohner, alle von ihrer Sucht befreite junge Leute, hatten mir imponiert. Da war auch schon ein Bezug zu meiner Familiensituation. Das war mir irgendwie im Herzen geblieben.“ Als die Tante stirbt – er ist damals elf Jahre alt –, stirbt auch sein Vertrauen in Gott. Ab nun macht er alles mit sich allein aus. Mit Kirche will er nichts mehr zu tun haben.
Mutter und Kinder übersiedeln nach der Trennung der Eltern zuerst in eine Wohnung am Dachboden zur Großmutter. Sie ist nun für die Kinder da und macht mit ihnen Aufgaben, während die Mutter arbeitet… Später wird wieder übersiedelt. Stefan tut sich mit dieser Familiensituation schwer, spricht mit niemandem über seine Probleme, verschließt sich immer mehr, zieht sich in sich selbst zurück. Beim ersten Kontakt mit Alkohol in der Jugend – er ist ein 13-jähriger Hauptschüler – bekommt er gleich eine Alkoholvergiftung, an der er fast stirbt. Er landet im Spital und möchte das Zeug eigentlich nicht mehr anrühren. Der Vorfall wird jedoch für die anderen Kinder zum spannenden Gesprächsstoff, und Stefan fühlt sich im Mittelpunkt des Interesses. Er meint, mit dem Alkohol etwas entdeckt zu haben, womit er aus seiner Isolation herausfinden könnte.
Auf der schiefen Alkoholbahn, auf die er sich nun begibt, finden sich schnell falsche Freunde ein, die ihn auch mit Marihuana und chemischen Drogen bekannt machen. „Aber mein größtes Problem war der Alkohol“, erinnert er sich. Es gelingt ihm recht gut, seinen Seelenzustand in der Familie – mit dem Vater gibt es nicht viel Kontakt – geheim zu halten. Wohl sieht die Mutter, dass er zu viel trinkt, aber seinen schlechten Gemütszustand erkennt sie nicht, da sie zu sehr mit Geldverdienen belastet ist. „Die Familie hofft ja auch immer, dass es nicht so schlimm ist, lässt sich gerne hintergehen“ sinniert er.
Nach der Hauptschule versucht er es mit einer Maurerlehre. Das klappt nicht, und er geht ein Jahr ins Polytechnikum, beginnt danach eine Tischlerlehre. „Arbeiten bin ich nur gegangen, um Geld für den Alkohol zu haben. Immer gab es auch reichere Freunde – oder ich habe etwas gestohlen. Irgendwie konnte ich mir immer Geld beschaffen.“
Die Gesellenprüfung schließt er wegen der Suchtprobleme nicht ab. Er trinkt immer mehr, um seinen Problemen zu entfliehen. „Ich habe schon in der Früh damit angefangen und mit Hochprozentigem – Schnaps und so – abends aufgehört.“ Dazu kamen noch Drogen. „Es war wichtig, dass ich nicht klar denken konnte. An meinem 19. Geburtstag hatte ich einen richtigen Tiefpunkt. Ich erkannte, dass in meinem Leben alles schief gelaufen war. Mein Luftschloss: ,Ich kann jetzt machen, was ich will’ war zerplatzt.“ Stefan sieht keinen Ausweg, er hat Selbstmordgedanken. „Eine schlimme Zeit. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte und wollte einfach, dass alles aufhört.“
So beschließt er von einem Haus oder von sonst wo kopfüber hinunter zu springen, und er schreibt einen Abschiedsbrief, den allerdings seine ältere Schwester findet. Rechtzeitig nur deshalb, weil der Gedanke an seine Schwestern – „Ich wusste ja, dass sie mich gern haben“ – den Bruder zögern ließ, sich umzubringen. Sichtlich unter Schock stürzt sich die Schwester nun entsetzt auf ihn: „Was fällt dir da ein!“, schreit sie. „Die jüngere Schwester war ganz still, sichtlich betroffen. Und da beschloss ich, dass ich mein Leben grundsätzlich ändern muss“, erinnert er sich.
Also kein Alkohol mehr, da er weiß, dass er sonst wieder Selbstmordgedanken bekommen könnte. Ab da verlässt er kaum mehr sein Zimmer, isoliert sich. Er schafft es zwar, nicht mehr zu trinken, weiß aber, dass er Hilfe braucht, um sein Leben zu ändern. Als er sich um Hilfe an seine Mutter wendet, ist diese sofort bereit, ihm beizustehen, „obwohl ich ihr in dieser Zeit viel Schlimmes angetan hatte.“ Gemeinsam wird nach einer Lösung gesucht, doch „ich habe nichts Richtiges gefunden, bis ich mich an die Gemeinschaft Cenacolo erinnerte, die ich in Medjugorje erlebt hatte“, erzählt er und gräbt nun, Jahre später, diese Erinnerungen wieder aus. Da ist ein Foto der Tante mit einem Lichtschein, und sie trägt ein Cenacolo T-Shirt! Die Mutter meint, dass es so eine Cenacolo-Niederlassung auch in Österreich gebe. So machen sich die Beiden nach Kleinfrauenhaid auf.
„Es hat mir dort aber gar nicht gefallen: die strikten Regeln, das viele Beten, weder Fernsehen, noch Radio oder andere Medien, keine Handys…“ Da war aber auch die Freude, die alle ausgestrahlt haben. „Das gibt es doch nicht, die haben doch oft schlimmere Sachen durchgemacht als ich“, denkt er, und: Wieso sind die jetzt so glücklich? „Das hat in mir den Wunsch geweckt, auch glücklich zu sein und nicht mehr von meinem Leben davonlaufen zu wollen.“ Er entscheidet sich also, dort einzutreten. Es ist das Jahr 2011. Jeden Samstag geht er von da an zu Vorbereitungsgesprächen in Wien und tritt dann in die Gemeinschaft ein.
Wie es ihm anfangs gegangen sei, frage ich ihn. Von Anfang an habe er einen „Schutzengel“ bekommen, ein Mitglied der Gemeinschaft, jemand also, der ungefähr weiß, wie es einem Neuankömmling geht und der hilft, in den total anderen Lebensstil hineinzuwachsen. „Er ist in schwierigen, aber auch in den guten Momenten an deiner Seite. Er ermuntert und motiviert dich in der Früh, wenn du nicht aufstehen willst. Was Kraft gibt, ist: Du erlebst, es machen alle gemeinsam.“
Es werde viel gearbeitet, erzählt Stefan, man habe wenig Freizeit, zunächst auch keinen Kontakt mit der Familie. Langsam stellt sich bei ihm die Hoffnung ein, dass er durch die Gemeinschaft aus seinen Problemen herauskommt. „Daher habe ich mich auf alles eingelassen. Wo ich mir allerdings schwergetan habe, war, dass man sich in der Gemeinschaft mitteilen muss. Das war ich nicht gewohnt, ich hatte mich ja ganz verschlossen. Jetzt sollte ich jeden Tag sagen, wie es mir geht, wie es in meinem Inneren ausschaut. Schritt für Schritt bin ich dann in den Alltag hineingekommen und eben mit Hilfe der anderen zurück ins Leben. Sie, denen es nach Monaten oder Jahren gut geht, erzählen dir, dass auch sie anfangs Schwierigkeiten hatten, und dass auch ich bald Erfolge sehen werde.“
Als Stefan in die Gemeinschaft eintritt, hat er mit dem Glauben „nichts am Hut“. Gott braucht er seit dem Tod der Tante nicht. „Am Anfang dachte ich: Ach, jetzt schon wieder beten! Aber dann lässt du dich darauf ein, weil du siehst, dass die anderen es auch alle machen und es ihnen hilft.“ Es findet ein richtiger Kampf zwischen Gut und Böse statt. Der Kopf, so erklärt er, ist oft irgendwo anders, wenn man in der Kapelle sitzt. Nun aber erlebt er die anderen Burschen im Cenacolo, die sich um Gebet und Glauben an Jesus Christus bemühen – und siehe da: Ihnen geht es besser trotz ihrer oft wirklich schlimmen Vorgeschichten. „So habe ich angefangen, auch für mich den Glauben an Jesus zu entdecken. Ich erlebte sehr schöne Momente, eine echte Bekehrung: neu anzufangen, mir vergeben zu lassen – und auch mir selbst zu vergeben.“
Ein Meilenstein dorthin ist der 26. Oktober, der Geburtstag eines Freundes, der nicht aus dem Sumpf herausgefunden hatte. „An diesem Tag ist es mir ganz schlecht gegangen. Da wollte ich abhauen.“ Der Gedanke quält ihn: Wieso sollte er jetzt die Chance bekommen, aber der Freund, dem es viel schlechter geht, nicht? Also verdrückt er sich heimlich. Schon bei den Bäumen angelangt, ganz allein, weit und breit ist niemand zu sehen, hört er plötzlich in sich eine Stimme, die sagt: „Aus Deinem Leben kann etwas Gutes werden. Du hast es genauso verdient.“
„Das hat mich total getroffen. Es kam ja plötzlich aus dem Nichts. Da hat es in mir zu arbeiten angefangen. Es war eine gute Stimme, die ich ganz tief gespürt habe. Wessen Stimme war das? Der Schutzengel – der echte – oder war es Gottes Stimme? Ich weiß es nicht.“ Das war die endgültige Wende, sich ganz dem Glauben hinzugeben: „Ich habe mich getraut, mein Herz für Jesus zu öffnen“, erklärt er strahlend. In der Anfangszeit hat er öfter noch ähnliche Erfahrungen und spürt dabei in sich immer wieder diesen tiefen Frieden, den er auch beim ersten Mal verspürt hatte. Ein weiterer Höhepunkt ist die Begegnung mit der Gründerin des Cenacolo, Mutter Elvira: „Sie hat mir einen Kraftschub gegeben. Diese kleine, lebendige Frau hat mir so viel Liebe übermittelt. Ihre Augen! Da spürt man: Da ist etwas Besonderes in ihr. Sie hat in mir den Wunsch zu leben wieder gestärkt“, beschreibt er dieses besondere Treffen.
Mittlerweile arbeitet er in der Tischlerei der Gemeinschaft und genießt es jedes Mal, wenn er etwas fertig gestellt hat. Ist er zur Küchenarbeit eingeteilt, freut er sich, dass er eine Mahlzeit für die anderen gekocht hat. Auch die Stallarbeit mag er, und kann es kaum fassen, dass es wirklich er ist, dem plötzlich nicht mehr alle und alles egal ist. „Das hat Selbstwertgefühl gebracht. Ich konnte stolz auf mich sein, weil ich etwas geschafft hatte.“ Nach einer Zeit in Kleinfrauenhaid geht er für zwei Jahre in das Haus „Santo Stefano“ in Norditalien.
Dort arbeitet er in einem Weingarten. Mit Hilfe des Leiters des Hauses betrachtet er die vielen Verletzungen seiner Kindheit, die ihn letztlich auf die schiefe Bahn gebracht hatten. In Santo Stefano hört er zum ersten Mal von den Häusern der Gemeinschaft in Brasilien, in denen Kinder und Jugendliche betreut werden. „Als ich eines Tages im Weingarten arbeitete, spürte ich tief in meinem Herzen: Diesen Kindern, die aus schwierigen, ja schlimmen Situationen kommen, möchte ich eines Tages helfen, für sie möchte ich da sein. Das war von da an mein neues Ziel, obwohl ich noch nicht lange in der Gemeinschaft war.“ Er schreibt Mutter Elvira, dass er gern in die Mission gehen würde.
Dieses Ziel, das er nun hat, hilft ihm, auch Rückschläge zu überwinden. „Eine der großen Erkenntnisse war: Ich merkte, dass ich glücklicher bin, wenn ich etwas für andere mache, nicht nur an mich selbst denke, an meine Verletzungen und meine eigenen Probleme, etwa wenn ich Jungs, die noch nicht so lange dabei waren wie ich, beim Durchhalten und Weiterkommen half. Ich war auch gerne „Schutzengel“ für die Neulinge.“ Je mehr er aus sich selbst herauskommt, desto zufriedener und glücklicher wird er. „Wenn ich sah, dass so ein Neuling, der unglücklich oder verzweifelt gekommen war, wieder zu lächeln begann, hat mich das glücklich gemacht. Das war eine Stärkung und Bestätigung, dass dies der richtige Weg ist.“
Dann geht es wieder zurück ins Burgenland, bis er 2017 endlich in ein Cenacolo-Haus im Nordosten von Brasilien übersiedeln kann – ohne ein Wort Portugiesisch zu sprechen. Endlich geht der Wunsch, in die Mission zu gehen, in Erfüllung. „Es war das einzige Ziel gewesen, bei dem ich Frieden im Herzen verspürt habe.“
Was ihn in Brasilien erwartet habe, wollte ich wissen. „30 Kinder gab es dort in der Mission. Ich war in einem Haus für sieben Buben zwischen 6 und 14 Jahren verantwortlich.“ Anfangs bekommt er Hilfe, bis er sich eingewöhnt hat. Wie habt ihr miteinander kommuniziert, frage ich. „Ich habe Italienisch gesprochen und die Kinder Portugiesisch. Ein wildes Durcheinander. Aber auch schön und unglaublich…“, schwärmt Stefan. Was denn seine Aufgabe war, will ich wissen. „Wir waren den ganzen Tag mit den Kindern: In der Früh haben wir sie geweckt, gefrühstückt, in die Schule geschickt, später mit ihnen Hausübungen gemacht. Ich habe die Buben angeleitet bei der Arbeit im Garten und Haushalt, wir haben mit ihnen gespielt, usw.“
Verwahrlosung, Drogen, Armut sind der familiäre Hintergrund der Kinder. Oder sie sind Waisen. Gerichte weisen die Kinder der Cenacolo-Mission zu. Ein Sozialhelfer und ein Psychologe für die Kinder stehen den Betreuern bei. Alles ist sehr gut organisiert. Nur selten können Kinder wieder in ihre Familien zurück, weil sich die Situation dort verbessert hat. „Manche Kinder sind schon ewig bei uns, bleiben auch da, andere werden adoptiert. Man lebt mit ihnen zusammen, solange sie da sind. Wir versuchen auch, ihnen den Glauben an Jesus Christus und die richtigen Werte fürs Leben zu vermitteln. Man versucht einfach, ein guter Vater zu sein, so gut es eben geht. Ich habe sehr viel dabei gelernt.“
Die Kinder wissen ja auch, dass sie nicht die leiblichen Väter sind. Daher braucht es seine Zeit, bis ein Kind Vertrauen fasst. Weil sie aber dringend eine Vaterfigur brauchen, schließen sich manche Kinder besonders an einen der Betreuer an. „Da gab es einen 6-jährigen Jungen, Joao (Johannes), der von klein auf aus einer sehr schwierigen Familiensituation zu uns gekommen ist. Er war sehr unglücklich. Immer wieder kam er zu mir, weinte und hat mir seinen Kummer erzählt. Was soll ich ihm sagen? So habe ich ihm von Gott, der unser aller Vater ist, erzählt, der für ihn wie für uns alle da ist, uns liebt und ihm sicher helfen werde.“
Zwischen dem Buben und Stefan entsteht eine wunderbare Freundschaft. „Da hat sich mein Herz geöffnet, und ich habe mir gedacht, ich bleibe nicht – wie ursprünglich geplant – nur zwei Jahre hier, sondern die Zeit, in der es wichtig ist, dass ich bleibe – zum Beispiel etwa für dieses Kind. Und tatsächlich: Seinem kleinen Freund wird wirklich geholfen. Es findet sich eine sehr liebe Familie, die den Buben und dessen kleine Schwester nach Erledigung des Papierkrams – was einige Zeit dauert – adoptiert.
Ich frage Stefan, ob das nicht schlimm für ihn gewesen sei, da ihm der Bub doch ans Herz gewachsen war. „Ja schon. Andererseits war es auch sehr schön. Denn der Kleine hatte so sehr gehofft, in eine Familie zu kommen, übrigens eine Superfamilie und er ist dort sehr glücklich.“ Ich merke ihm deutlich seine Freude, seine selbstlosen Liebe an, als er weiter erzählt: „Es war ein Karfreitag, als er adoptiert wurde und ich habe damals deutlich gespürt, dass Gott Joaos Kreuzweg, der bei der Adoption acht Jahre alt war, endlich beendet hatte. Die Familie ist immer wieder auf Besuch gekommen, vor allem an jedem Geburtstag, damit wir uns wieder sehen. Denn unsere besondere Freundschaft besteht immer noch.“
Vor einem Monat, vor Stefans Rückflug nach Österreich als der Bub seinen elften Geburtstag feierte, haben sie sich noch einmal gesehen. Stefan erzählt von dieser Begegnung: „Als er seine Geburtstagstorte angeschnitten hatte, schaute er, wo ich bin, um mir das erste Stück zu geben Ich war sehr berührt, denn ich habe gesehen, dass er die Zeit, die wir miteinander im Missionshaus verbracht hatten, wirklich zu schätzen gewusst hat. Das hat mir innerlich so viel Kraft gegeben, dass ich wusste, jede Sekunde, die ich dort gewesen bin, ist es wert gewesen.“
Es war allerdings auch eine schwierige Zeit: weit weg von zu Hause, von der Familie, wenig Kontaktmöglichkeiten, eine ganz andere Kultur, ständig im Einsatz, viel Verantwortung, Zwist unter den Erwachsenen, auch wenn man gelernt hat, einander so anzunehmen, wie man nun einmal ist. „Und dann“, erzählt er lachend, „isst man jeden Tag Bohnen mit Reis. Selten einmal Fleisch. Anfangs war diese Ernährung etwas schwierig aber dann hat es mir richtig geschmeckt, vor allem auch, weil es jede Menge Obst gab.“
Mit den Kindern und Jugendlichen sei es oft nicht leicht, erzählt er: Sie bringen so viele Verletzungen aus ihrem früheren Leben mit, sind schwer geprüft, oft sehr anstrengend, voller Probleme, auch aggressiv. „Sie können sich furchtbar verhalten, können einen an sein Limit bringen.“ Doch dann gibt es auch die schönen Momente, die all die inneren und äußeren Kämpfe wieder wettmachen, erzählt er in seiner sehr ruhigen und sehr reifen Art. „Da gab es ein Mädchen – sie war damals 10 Jahre alt –, das sich eines Tages am „Fest des Lebens“ (dem internationalen großen jährlichen Cenacolo-Fest), das wir uns alle gemeinsam im Internet angeschaut haben, zu mir gesetzt hat. Sie hat mir spontan aus ihrem Leben, von ihren Problemen und Hoffnungen erzählt und mir, einem Betreuer, einfach ihr Vertrauen geschenkt. Bei den Mädchen kam dies sehr selten vor.“ Auch da entstand eine schöne Freundschaft zwischen beiden.
Da gab es viele großartige Momente, schwärmt er, die jede Schwierigkeit vergessen lassen. „Das Lächeln eines Kindes, wenn es mich annimmt, auf mich, einen Österreicher hört, der ihm sagt, wie es sich zu verhalten halten hat, das mir vertraut, mich gern hat. Das ist eben nicht selbstverständlich.“ Sehr sicher bekräftigt Stefan: „Ich hab die Mission dort sehr, sehr ins Herz geschlossen.“
Der Entschluss, nach mehr als 4,5 Jahren in der Mission nach Österreich zurückzugehen, um sich auszuruhen, fällt ihm nicht leicht. „Das Verabschieden von den Kindern war schwer. Ich hab viele Briefe von den Kindern mitbekommen, viele Zeichnungen und viele haben gesagt: ,Danke, du warst wie ein Papa für mich. Es tut weh, dass du gehst, vergiss uns nicht.’ Da dachte ich: Es hat sich wirklich ausgezahlt hier gewesen zu sein.“ Mutter und Großmutter haben sich sehr gefreut, ihn bei seiner Ankunft in Österreich vor einem Monat, wiederzusehen. Auch der Vater möchte eine neue Beziehung zum Sohn aufzubauen. Ein Jahr möchte Stefan nun außerhalb der Gemeinschaft leben und dann entscheiden, ob er hier im Lande Fuß fassen und sich eine Existenz aufbauen kann oder ob er doch wieder zurück nach Brasilien geht.
Was würde er Jugendlichen heute gerne raten frage ich ihn zum Schluss „Immer wieder Zeiten der Stille, der Besinnung ins Leben einbauen“, meint er. „Sich auf sich selbst besinnen. Einmal weg von den vielen Ablenkungen. Handy und Laptop zur Seite legen. Sich einmal kurz in eine Kirche setzen und einen Moment für Gott finden. Auf sein Herz hören, auf die leisen Eingebungen, die da kommen können, auf die Stimme in sich aufmerksam werden. Und den Mut haben, dieser Stimme zu folgen. In sich hineinschauen, um herauszufinden, was einem wirklich gut tut. Keine Angst davor zu haben, sich für die Wahrheit zu entscheiden, die man erkannt hat, auch wenn man dann gegen den Strom schwimmen muss. Und: Versuchen, Gutes zu tun, sich für andere interessieren, denn das macht zufriedener. Man kann dadurch sehr glücklich werden.“
Alexa Gaspari – aus: VISION 2000, Nr.3-4/2022
(Herzlichen Dank an die Redaktion von VISION 2000 für die Erlaubnis, diesen Artikel zu verwenden.
Wir haben ihn ganz leicht gekürzt; die ursprüngliche Fassung findet sich im Internet unter: http://www.vision2000.at/?nr=2022/3&id=4022)