LAUFEND BETEN
„Phänomenal – ein Geschenk!“ – ein Ausruf der durchs Haus klingt. Ausgepowert kommen die Jungs von ihrer Laufrunde ins Cenacolo-Haus zurück – verschwitzt, doch mit leuchtenden Augen und fröhlichen Gesichtern. Was ist der Reiz des Laufens, des sich Quälens und Schwitzens?
Einer der Burschen fängt zu erzählen an: „Mehrmals die Woche laufen wir alle in der Gemeinschaft eine mehr oder weniger große Runde. Die Ungeübten beginnen mit ungefähr einem Kilometer und die Geübteren, die schon länger in der Gemeinschaft sind, schaffen 20 bis 25 Kilometer. Es ist eine tolle Art Sport zu betreiben. Wir alle spielen oft Fußball und haben auch ein wunderbares Fußballfeld zur Verfügung, aber beim Laufen fällt der Aspekt des gewinnen Wollens weg und es fördert Gemeinschaft und Freundschaft. Ganz besonders, wenn wir beim Laufen den Rosenkranz beten. Da haben wir uns eine eigene Technik einfallen lassen und beten immer nur das erste und das letzte Wort jedes Abschnitts – die anderen Teile beten wir still in uns drinnen, schön im Rhythmus des Laufens, Perle für Perle. Sonst würde man ja ganz aus der Puste kommen. Mich beeindruckt die Einheit von Körper und Natur, das Schwitzen, das Atmen, immer wieder neue Gerüche und Geräusche, der Wechsel der Jahreszeiten: durch den Wald zu laufen, wenn der Raureif überall auf den Bäumen glitzert, die blühenden Wiesen im Sommer, oder im Herbst zu sehen wie die Weintrauben schwer hängen. Manchmal begegnen wir Tieren oder grüßen winkend die Bauern auf den Feldern bei der Arbeit.
Das ist Gebet für mich – einfach dankend laufen und beten. Danken dafür, dass ich mich bewegen kann, dass ich gesund bin, dass ich Augen zum Betrachten hab, dass meine Ohren Vogelgezwitscher wahrnehmen wenn ich stehen bleibe, dass ich auch mich wieder „höre“.
Das ist Gebet für mich – einfach dankend laufen und beten. Danken dafür, dass ich mich bewegen kann, dass ich gesund bin, dass ich Augen zum Betrachten hab, dass meine Ohren Vogelgezwitscher wahrnehmen wenn ich stehen bleibe, dass ich auch mich wieder „höre“ – nicht meine Stimme, sondern mein Atmen. Es ist wichtig meine Grenzen kennen zu lernen und mich zu spüren – das Gefühl dass ich lebe, in der Ausrichtung auf einen liebenden Gott. Zum Beispiel vor dem Marterl, an dem wir immer vorbei kommen. Wir knien uns hin und wissen, dass dieser Platz eine lange, uns unbekannte Geschichte hat und viele vor uns dort schon gebetet haben, so wie wir gemeinsam in diesem Augenblick. Und ich empfinde in dem Moment ganz stark die Liebe Gottes und kann mich selbst annehmen wie ich bin.
Dieses gemeinsame Training steigert auch die Freundschaft und das Vertrauen zueinander. Ehrliche Freundschaft, die das Leben erst lebenswert macht, einem hilft sich zu erkennen und zu entfalten und auf die man sich verlassen kann. Und Vertrauen darauf, dass Anstrengung – auch wenn es nicht immer leicht fällt sich selbst zu motivieren – Frucht bringt, mich formt und stärker macht. Es ist eine Herausforderung. Schon beim ersten Hügel sieht man begeisterte Läufer, das Adrenalin steigt und das Wollen zu laufen ebenfalls. Es ist ein aus sich heraus Gehen, ein etwas selbst Machen und ein sich Überwinden und wenn ich es dann geschafft habe kommt das Glücksgefühl. Wenn du zurückkommst, hast geschwitzt, bist nass, vielleicht in eine Lacke gesprungen und schmutzig, aber du hast was Starkes getan und der Abend ist ein ganz anderer. Anfangs war ich bei der ersten kleinen Runde schon platt, nun lauf ich bis 25 Kilometer. Es ist herrlich – phänomenal – und ich kann nur danke sagen für dieses Geschenk und meine Freunde, die dies mit mir gemeinsam tun.“
Die empfundene Freude und das zufriedene Strahlen in seinem Gesicht sind nicht zu übersehen und haben die Frage, worin der Reiz des Laufens liegt, mehr als beantwortet.