FASTENZEIT IM CENACOLO
Die Fastenzeit (italienisch: Quaresima) im Cenacolo ist für uns eine besonders intensive Zeit. Es ist ein bisschen wie im Flugzeug: „Fasten your seatbelts“ heißt es – man muss sich fest anschnallen, um abheben und losfliegen zu können. So schnallen wir in der Fastenzeit den Gürtel enger, um uns auf das Osterfest vorzubereiten, das höchste Fest unseres Glaubens, das mit seiner unermesslichen Perspektive der Hoffnung und der Freude uns eigentlich immer wieder zum ‚Abheben‘ bringen müsste. „Den Gürtel enger schnallen“ meint jedoch nicht nur den Bauch, wenn wir auch natürlich in der Fastenzeit auf Kaffee und Süßigkeiten verzichten, um uns in Selbstbeherrschung zu üben und mehr Kontrolle über uns selbst zu erlangen. Darüber hinaus wollen wir aber auch unsere Gedanken und Gefühle, unser Sprechen und unseren Blick in Zucht nehmen. Wir wollen die sieben Wochen der Fastenzeit nutzen, um Gott und den Mitmenschen näher zu kommen. Wir können uns nicht mit einem mittelmäßigen unentschiedenen Leben zufrieden geben, sondern wollen in der Freundschaft mit Jesus wachsen, um so freier und glücklicher zu werden.
Dazu bedarf es aber der Reinigung und der Rückkehr zum Wesentlichen und das geht nicht ohne Mühe. Deshalb gibt es in unseren Cenacolo-Häusern in der Fastenzeit immer eine Vielzahl von großen und kleinen Aufgaben, die wir einzeln oder in der Gruppe auf uns nehmen, um uns von unserem Egoismus zu lösen, der uns blind macht für die Bedürfnisse der anderen. Die Aufgaben sind einfach, am Morgen zieht z.B. jeder Mitbruder eine Aufgabe für den Tag: „Mich mit einem Bruder aussprechen“, „ein zusätzliches Gebet während des Tages“, „eine versteckte Tat der Nächstenliebe für einen anderen“, „etwas Unbequemes freiwillig übernehmen“, „den Brüdern am Morgen im Stall helfen“ oder vieles andere wird uns da für den Tag aufgetragen. So lernen wir, unseren Willen neu auf das Gute auszurichten, und verstehen im Verzichten, dass wir vieles gar nicht brauchen, um froh zu sein und dass wir alles wirklich Wichtige von der Güte Gottes erwarten dürfen.
Im Verzicht und in der Mühe um einen Neuanfang reinigt sich unser Gewissen und wir hören wieder deutlicher seine Stimme, die uns sagt, wo wir an uns arbeiten müssen, was wir bislang unterlassen haben und wo wir einen Bruder um Entschuldigung bitten müssen. Die Blindheit unseres Herzens wird überwunden und neues Licht gelangt in das Dunkel mancher Gedanken und Gefühle.
Eine solche konkret gelebte Fastenzeit bedeutet – nicht nur für uns im Cenacolo – manchmal auch ein augenblickliches Leiden, wenn man sich von den Verzichten und Aufgaben zunächst überfordert fühlt oder sich lange Aufgeschobenem und Verdrängtem endlich stellen will. Jedes Mal, wenn wir so einen Augenblick leiden, wachsen wir und werden reifer, und so bringt dieses Leiden Freude hervor, denn es hilft uns, Schritte nach vorn zu tun in ein neues Leben. Deshalb ist die Fastenzeit sehr beliebt bei uns allen – wir wissen, dass sie uns wirklich hilft auf unserem Weg.
Eine große Stütze ist dabei die tägliche Betrachtung von Gottes Wort, die wir in diesen Wochen besonders üben. Dazu treffen wir uns oft in kleinen Gruppen am Morgen oder am Abend, um uns auszutauschen über die Worte der Lesung und des Evangeliums und miteinander zu teilen, was uns darin besonders berührt und geholfen hat.
Der Kreuzweg, den wir jeden Freitagnachmittag im Freien miteinander beten, lässt die Geschichte der Passion Jesu in unserem Herzen lebendig werden, und wir verstehen tiefer die Liebe Gottes, die uns ermuntert, unser Leben zu ändern und am Guten auszurichten. Jeden Freitagabend in der Fastenzeit schauen wir uns zudem gemeinsam einen Heiligen-Film an, d.h. einen Film über einen Menschen, dessen Leben uns zeigt, welche Wunder geschehen können, wenn wir uns Gott anvertrauen und uns von ihm führen lassen.
Die Fastenzeit ist so jedes Jahr im Cenacolo eine intensive Zeit der Einkehr und der Neuorientierung, die uns darauf vorbereitet, das Osterfest der Auferstehung Christi mit einem freien Herzen und in großer Freude feiern zu können.
Unser Plan für die Fastenzeit:
(Aschermittwoch bis Samstag)
„Kehrt um zu mir von ganzem Herzen“ (Joël 2,12)
Thema: das Gebet
Punkte zum Nachdenken:
– Gewissenserforschung
– Sich für das Gebet entscheiden
– Mit offenem Herzen beten
Aufgaben:
– Katechesen zum Thema hören von Papst Franziskus, Mutter Elvira u.a.
– über das Gehörte sich in kleinen Gruppen austauschen
1. Woche (erster Fastensonntag bis Samstag)
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18)
Thema: die Nächstenliebe
Punkte zum Nachdenken:
– die Liebe zum Mitbruder
– sich zusammen auf den Weg machen
– seine Zeit anderen schenken
Aufgaben:
– sich anderen zur Verfügung stellen
– im Verborgenen Nächstenliebe üben
– einem Bruder Mut machen
2. Woche (zweiter Fastensonntag bis Samstag)
„Hört das Wort des Herrn!“ (Is 1,10)
Thema: das Wort Gottes hören
Punkte zum Nachdenken:
– mein persönliches Gebet vertiefen
– über das Wort Gottes nachdenken
Aufgaben:
– sich in Kleingruppen über das Tagesevangelium austauschen
– ein zusätzliches Gebet beten
– die Ratschläge der Brüder in Praxis umsetzen
3. Woche (dritter Fastensonntag bis Samstag)
„Geht in allem den Weg, den ich euch befehle“ (Jer 7,23)
Thema: die Demut
Punkte zum Nachdenken:
– demütig sein
– Vertrauen haben
– offen und ehrlich sein
– Wie gehe ich auf meinem Weg?
Aufgaben:
– eine Mahlzeit im Schweigen
– freiwillig einen Dienst zusätzlich auf sich nehmen
– in der Arbeitsgruppe einen Rückblick auf die letzte Zeit machen
4. Woche (vierter Fastensonntag bis Samstag)
„Lebt als Kinder des Lichts!“ (Eph 5,8)Thema: die Freude
Punkte zum Nachdenken:
– das Charisma Mutter Elviras mitleben
– mein Leben mit einem Lächeln umarmenAufgaben:
– Freude vermitteln
– in der Gruppe eine Tat der Nächstenliebe vollbringen
5. Woche (fünfter Fastensonntag bis Samstag)
„Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig“ (Ez 37,14)Thema: in der Wahrheit leben
Punkte zum Nachdenken:
– durchsichtig sein für die anderen
– meine Authentizität als persönliche Verantwortung
– ausgeglichen seinAufgaben:
– Beispiel sein
– ernsthafte Gespräche führen
– Rückschau auf die letzte Zeit in der Arbeitsgruppe (kann auch die Familie sein)6. Karwoche (Palmsonntag bis Karsamstag)
„…verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1 Kor 11,26)Thema: Vertrauen aus dem Glauben
Punkte zum Nachdenken:
– Vertrauen leben – auch unter dem Kreuz
– auf Gottes Liebe setzen (denn Er enttäuscht uns nicht)
Aufgaben:
– Im Schweigen bei einer Mahlzeit einer Katechese zuhören
– persönliche Probleme miteinander bereinigen
– die eigenen Fehler aufdecken und zugeben